Raum orange

Ein Text von Josef Guggenberger

Ein begehbarer Raum, dessen Boden, Decke und Innenwände vollständig mit Wachs ausgekleidet sind liegt das Prinzip von Veränderung und Umgestaltung zugrunde. In dem 2,07 Meter hohen, 2,07 Meter breiten und 2,40 Meter tiefen Raum ist es den Besuchern möglich, sich darin frei zu bewegen und zugleich mit den Händen die etwa 5 Zentimeter starke Wachsschicht an Decke und Wänden und Boden zu berühren. Zu Beginn wiesen die Wachswände des Quaders eine glatte Oberfläche auf, die im Laufe der Ausstellung durch das Betreten, Berühren und Modellieren der Besucher verschiedener Veränderungen unterzogen wurden. Die Metamorphose des Raumes geht daher vollkommen vom Betrachter und nicht von der Künstlerin aus: Durch die Wahl des formbaren Materials wird lediglich die Voraussetzung für den stetigen Wandel der Raumsituation geschaffen – die latent vorhandenen Möglichkeiten der Gestaltung durch den Betrachter überwiegen den tatsächlich sichtbaren Einflüssen der Künstlerin. 

Die aktive Beteiligung des Rezipienten und die dadurch hervorgerufene haptisch-sinnliche Erfahrung werden auch durch die Lichtkonzeption des Raumes unterstützt: der Besucher betritt einen Rückzugsort, in den einzig durch den schmalen Eingangsspalt Tageslicht von außen auf die in warmem Orange gehaltenen Wachswände fällt. Der dadurch entstehende, weiche Farbverlauf von kräftigem Orange bis hin zu erdigem Rot schafft eine entspannte Atmosphäre, welche zum Verweilen einlädt. Abgeschirmt und ungestört von Außen erhält man die Gelegenheit, Struktur und Konsistenz des altbekannt anmutenden Stoffes mit eigenen Händen und Füßen neu zu erfahren und  somit selbst Spuren in der Oberfläche des Objekts zu hinterlassen. Der wächserne Innenraum zeichnet jeden Schritt und jede Berührung seiner Besucher auf und wird für den einzelnen Betrachter somit zum Dokument seiner Vorgänger, zur Momentaufnahme eines Prozesses von unbestimmtem Ausgang.

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